Unterlagen "erster Eindruck": Tipps aus der Praxis

Informationen und Fragen zum Bewerbungsablauf, zu einzelnen Elementen der Bewerbungsmappe und zu individuellen Formulierungen. Wie soll eine Bewerbungsmappe aufgebaut sein? Welche Fakten gehören in ein Anschreiben? Welche Formulierungen sollten unbedingt vermieden werden?
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malox
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Unterlagen "erster Eindruck": Tipps aus der Praxis

Beitrag von malox »

Heute kam aus der Personalabteilung ein Stapel Bewerbungen an (ca. 10-12 Stück), die jetzt durchzuschauen waren.
Die, die *gar* nicht gepasst hatten, weil einfach die nötige Berufsqualifikation nicht gegeben war oder bei denen schon das äußere Erscheinungsbild daneben war, waren dabei schon aussortiert.
Es geht jetzt also darum, auszuwählen, wer evt. zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird.

Da man sich zunächst einen groben Überblick über die Bewerbungen verschafft, zählt oft der erste Eindruck.
Aus der Erfahrung heute ein paar Tipps:

- Ein Deckblatt scheint inzwischen Standard. Wie das im Detail gestaltet ist, war gerade beim schnellen Durchblättern ziemlich egal. Da muss man sich sicher nicht reinsteigern, wenn es nicht gerade irgendein kreativer Beruf ist.

- Wer quereinsteigt oder sich sozusagen offenbar überqualifiziert bewirbt, hat eine Chance, wenn er dies im Anschreiben wirklich gut begründet.
In einem Fall waren wir alle ratlos, was derjenige sich dabei denkt, im anderen Fall war es schon nachvollziehbar, obwohl diese Bewerberin *noch* überqualifizierter war. Die letztgenannte hatte dann noch einen kleinen "Schmunzler" drin. Gepaart mit einer guten Begründung und wie sie persönlich zu *dieser* Stelle steht, wie sich sich da einbringen kann, hat ihr durchaus spontan Sympathien bei mir und meiner Kollegin eingebracht.

- Bei den Beigaben wie Zeunissen, Bescheinigungen, Fortbildungsnachweisen: bitte genau überlegen, ob das wirklich reinmuss! Man kommt kaum durch den Wust durch, wenn jeder "Pipifax" beigelegt wird. Eintägige Fortbildungen, eine Woche Praktikum sind irgendwann wirklich egal, genauso wie *jedes* Halbjahreszeugnis der Ausbildung!
Es war eine Bewerbung dabei, bei der alleine die Anlagen ca. 25 Seiten umfasste. Das ist Wahnsinn! Leute, sortiert aus!
Mehr hilft nicht mehr!

- Noch zu den Beilagen: Wenn Zeugnisse oder Praktikumsbescheinigungen dabei sind, dann bittet den Auszustellenden, diese nicht handschriftlich zu verfassen, sondern auszudrucken.
Das macht das ganze leserlich und übersichtlicher.
Dem, der sich bewirbt, tut man damit keinen Gefallen. Ich habe mich dann nach der zweiten handschriftlichen Seite (von vier oder fünf) gedanklich verabschiedet.
Das war so ähnlich mehrmals der Fall und betraf vor allem Praktikumsbeurteilungen oder Beurteilungen für die Schule von Praxisstellen. Sicher sind diese für Berufseinsteiger wichtig, aber handschriftlich wirkt äußerst unprofessionell.
Und: Referenzen mit angegebenen Telefonnummern wirken immer noch außergewöhnlich, aber gut.

- Rechtschreib- oder Grammatikfehler werden ausländischen Bewerbern verziehen. Lieber in eigener Sprache (und mit ein paar Fehlern) schreiben statt hochgestochenes Deutsch verwenden, bei welchem man merkt, dass von einem Muttersprachler Korrektur gelesen wurde.

- Anschreiben:
Bei längerer Arbeitslosigkeit oder wenn lange nichts in dem Bereich gemacht hat: "Keiner gibt mir eine Chance, weil ich keine Praxiserfahrung habe, dabei will ich doch so gerne... *jammer*" bringt nicht viel und fällt durchaus eher negativ aus.

- Bei "krummen" Lebensläufen und Brüchen: ganz dringend gut gruppieren und in Abschnitte, evt. mit Überschriften gliedern. Kreativität muss aus dem LL raus! In einer Bewerbung waren "arbeitslos"-Zeiten sehr kreativ und unterschiedlich getarnt: mal als "Umzug" oder "Neuorientierung im Rahmen von xy", dann wieder als "Suche nach Praktikumsplatz" oder "y-Phase". Das wirkt spätestens beim dritten Mal albern.

- Ebenfalls Lebenslauf und Lebenslauf:
hier fehlte (mir) generell oft die Übersichtlichkeit.
Es lesen fremde Personen, die weder die Person noch den Lebenslauf kennen.
Auf einen schnellen Blick durchzusteigen, was der Berufsabschluss ist, was man aktuell wo macht ist sehr wichtig!
Das bedeutet nicht zwingend einen achronologischen Aufbau - der ist manchmal auch kontraproduktiv. Da helfen eine gute Strukturierung und evt. Überschriften.
Das kann man im Voraus durchaus mit Freunden/Bekannten austesten.

Ganz konkrete Berufs- und Praxiserfahrung, die für *diese* Stelle wichtig ist, herausheben. Das gilt besonders für das Anschreiben, aber eben auch für den Lebenslauf.
Anderes, gerade wenn es lange her ist und/oder irrelevant ist, kann etwas "zusammengeschnurrt" werden.
(Mir kam spontan der Gedanke an einen "Falk-Stadtplan": die Innenstadt sehr ausführlich - das Umfeld wird immer kleiner)

Die Personalabteilung hatte bereits jede Station im Lebenslauf, die *für diese Stelle* wichtig ist, extra markiert - alles andere fällt bei der schnellen Durchsicht auch schnell raus und ist im Prinzip egal.
Für den "ersten Blick" ist der LL deutlich wichtiger als das Anschreiben!
therese
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Beitrag von therese »

Tolle Zusammenfassung, danke! Ich bin sicher, das wird vielen helfen!
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FRAGEN
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Beitrag von FRAGEN »

Ich find's ebenfalls beeindruckend, malox! So viel gesunden Menschenverstand auf so engem Raum habe ich zu diesem Thema selten gelesen, ganz ehrlich!
malox
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Beitrag von malox »

Teil 2:

Inzwischen liefen die Vorstellungsgespräche, die nicht am Ort der Tätigkeit, sondern in der Personalabteilung stattfanden.
Ein paar Kandidaten wurde angeboten, sich den Laden hier
anzuschauen und man wurde zur gegenseitigen Begutachtung freigegeben. :P
(Die Stelle erfordert u.a. Teamarbeit, bietet aber auch Raum für individuelles Arbeiten - d.h. dass dem Bewerber die Chance gegeben wurde, zu schauen, ob das in seine Vorstellung passt und das Team konnte schauen, ob der Bewerber harmoniert.)

- Wenn ihr nicht zur Vorstellungsgesprächen kommen könnt oder wollt bzw. bereits eine andere Stelle ab, dann seid so fair und sagt ab. Erstens dient das der Planbarkeit des Arbeitgebers und zweitens sieht oder trifft man sich vielleicht irgendwann mal wieder...
Das gilt im übrigen auch für abgesandte Initiativbewerbungen, bei denen man Rückmeldung bekommen hat, daß derzeit zwar keine adäquate Stelle frei ist, man aber gerne die Unterlagen behalten würde und sich meldet, wenn etwas frei wird.
Das war zumindest so bei uns der Fall: die Personalabteilung hat sich gemeldet und es kam *gar keine* Reaktion mehr.
Am besten wäre es, dort direkt abzusagen, sobald man woanders etwas hat, denn: bis dahin lief schon a) der Erstcheck der Bewerbung, b) das Ausdrucken und Weiterleiten, c) die Auswahl für ein Vorstellungsgespräch.
Da waren schon mal mindestens vier bis fünf Leute durchaus länger beteiligt und man "blockiert" einen evt. Platz für eine andere Person.
Einem selbst kann es ja auch mal so gehen.

- So blöd und selbstverständlich das klingt: pünktlich sein oder notfalls rechtzeitig anrufen, dass man es nicht schafft oder das Haus nicht findet (das kommt z.B. bei uns öfter vor und wir *wissen* das!) - das gilt eben nicht nur für das offizielle Vorstellungsgespräch, sondern auch für die Hospitation/die Vorstellung des Teams! Es macht einen extrem schlechten ersten Eindruck bei den evt. zukünftigen Kollegen.
Da hilft es, sich vorher die Kontaktdaten (Telefon und Ansprechpartner) zu notieren, bevor man sich auf den Weg macht.

- Für Quereinsteiger oder Leute, die länger nicht in *dem* Job waren, gilt: lest euch vorher wenigstens ein bißchen in das Thema ein!
(In dem Fall wäre es kein Problem gewesen: Fachliteratur - auch überblicksartige - gibt´s durchaus, auch kostenlos im Internet!)
Wer ankommt ohne das allernötigste Hintergrundwissen und erst ins Thema eingeführt werden muss wie ein Praktikant, fällt nicht nur negativ auf, sondern dient auch als schlechtes Vorbild für andere Quereinsteiger, denen man das Thema dann ebenfalls nicht mehr ganz zutraut.
In einem Fall war es wirklich fast schokierend, wie wenig theoretisches Vorwissen da war, obwohl derjenige in der Bewerbung noch etwas von "sehr motiviert" schrieb.
Sämtliche Kollegen waren der Ansicht, dass es zu viel Zeit bräuchte, denjenigen überhaupt einzuarbeiten.
Das hätte mit guter Vorbereitung evt. verhindert werden können.

- Generell zu den floskelhaften Bewerbungen mit den üblichen Schlagworten ("Ich bin motiviert, flexibel, teamfähig, lernbereit, selbständig blabla"): die Gespräche zeigten nochmals, wie viel "heiße Luft" da oft dahintersteckt. Ich kann mir inzwischen *sehr* gut vorstellen, dass ein Personaler, der das *jeden* Tag macht, längst grinsend über sowas drüberliest - oder gar nicht mehr grinst, sondern *nur* noch drüberliest. Das bedeutet umso mehr, dass insgesamt deutlich individueller und quasi "mutiger" geschrieben werden muss!
Es ist wohl besser, sich selbst zu präsentieren statt das zu schreiben, was der Arbeitgeber (vermeintlich) hören möchte.
(Maßlose) Übertreibung im Bewerbungsanschreiben schadet m. E. auch eher: Das hat sich dann relativ schnell aufgelöst, wobei die Anforderungen seitens des Arbeitgebers/der Kollegen sicher nicht zu hoch gegriffen waren.

- Überlegt gut, was die Stelle erfordert und inwieweit ihr euch die Stelle zutraut, ggf. auch, welche Hilfen/Unterstützung ihr benötigt!
(Für diese Stelle gibt es ein spezielles Profil, d.h. es gab viele Bewerber ohne direkte Praxiserfahrung *speziell auf diesem* Gebiet)
Bei zuviel Selbstbewusstsein a la "Jaja, das schaffe ich locker" erweckt man eher das Gefühl, dass alles viel zu leicht ist oder man die Arbeit nicht ernst nimmt bzw. die Qualität/Quantität dahinter verkennt.
(Das war bei uns der Fall. Ich glaube *nicht*, dass diejenige wirklich wusste, was auf sie zukommt!)
Hat man genaue Vorstellungen und kann auf Nachfrage benennen, wo man sich unsicher ist, kann man gezielt darauf eingehen.
(Ich/Wir zumindest hätten es nicht als "Schwäche" deklariert, sondern wären bereit gewesen, gezielt "Starthilfe" zu geben!)
Das wiederum erfordert eine Auseinandersetzung im Vorfeld damit (siehe Punkt weiter oben) und hat etwas mit einer guten Selbsteinschätzung und Ehrlichkeit, auch gegenüber sich selber, zu tun. Durchaus Pluspunkte!
Spätestens in den ersten Tagen Einarbeitungszeit würde das sowieso auffallen.

- Die Gratwanderung zwischen Beobachten und Mitmischen, zwischen Fragen-stellen und Zuschauen erfordert ein gutes Gespür und ist bestimmt nicht ganz einfach, gerade wenn man merkt und weiß, dass man im Fokus steht.
Nur: Verunsicherung merkt man einem sehr schnell an. Mit dieser läßt sich meiner Erfahrung nach besser umgehen, wenn man das Gefühl verbalisiert und begründet, ggf. nachfragt, was *in der Situation* von einem erwartet wird - das ist zumindest besser als wenn man es so stehen läßt und hofft, dass die Unsicherheit einem *doch nicht* angemerkt wird.

- Zuviel Persönliches sollte zunächst draußen bleiben, beim ersten Kontakt ist eher Sachlichkeit angesagt. Eine Kandidatin war dabei, die sehr viel von sich Preis gegeben und schlussendlich sogar geweint hat, weil sie aus versch. Gründen ziemlich verzweifelt erschien und u.a. diese oder eine ähnliche Stelle *unbedingt* haben wollte.
So sehr ich das verstehen konnte und so wenig ich ein Fan davon bin, sich zu verstellen: das ist kontraproduktiv.

- Eigentlich auch selbstverständlich: Verabschiedet euch von allen Leuten, die ihr getroffen habt, ggf. bleibt man dann auch (bestenfalls: gut) im Gedächtnis. Evt. nützt dabei auch ein (ehrlicher!) Dank und der Hinweis, dass man sich die Arbeit/die Arbeitsstelle gut vorstellen kann.
Zuletzt geändert von malox am 22.04.2012, 10:55, insgesamt 4-mal geändert.
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FRAGEN
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Beitrag von FRAGEN »

Genauso toll wie der erste Teil, Malox! Ich freue mich schon auf den dritten... ;-)
malox
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Beitrag von malox »

FRAGEN hat geschrieben:Genauso toll wie der erste Teil, Malox! Ich freue mich schon auf den dritten... ;-)
Danke.

Einen dritten Teil wird es sicher geben, weil die-/derjenige das Vergnügen :mrgreen: haben wird, (wahrscheinlich) von mir eingearbeitet zu werden.
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0815Beweber
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Beitrag von 0815Beweber »

Sehr hilfreich und übersichtlich zusammengefasst :-)

Ich finde es sowieso immer am besten zum Thema Bewerbung/Lebenslauf die Meinung von Leuten zu hören, deren Aufgabe es ist diese zu beurteilen.

Eine Frage hätte ich aber doch noch: Wie sollte man denn deiner Empfehlung nach mit Lücken umgehen? Einfach nichts schreiben? Das wurde mir nicht ganz klar :-/
malox
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Beitrag von malox »

0815Beweber hat geschrieben: Eine Frage hätte ich aber doch noch: Wie sollte man denn deiner Empfehlung nach mit Lücken umgehen? Einfach nichts schreiben? Das wurde mir nicht ganz klar :-/
Ich muss dazu sagen, dass es in "meinem" Arbeitsumfeld nicht soo schlimm ist, wenn Lücken da sind. Das mag bei anderen Stellen oder stark leistungsorientierten Firmen anders aussehen.
Dazu kommt aktuell auch, dass auch Bewerbungen mit, in diesem beschriebenem Fall, wirklich sehr auffälligen Lücken, beachtet werden (müssen), weil aktuell in dem Bereich eher Fachkräftemangel herrscht.
Vermutlich hätte man diese Bewerbung sonst relativ schnell aussortiert.
(Da war noch so einiges mehr komisch: schlechte Noten, viele kurzfristige Beschäftigungen, etc.)

Meine Sicht der Dinge bezieht sich also auf *diese* Branche und *diese* Stelle. Ich bin nicht hauptberuflich im Personalbereich tätig, sondern jetzt eben wegen meiner Position in der Firma und der zu vergebenden Stelle so relativ "nah" in das Bewerber(auswahl)verfahren reingerutscht.

Bei mir (und meiner direkten Chefin, die auch an der Auswahl beteiligt war) wäre es aber besser angekommen, wenn man mit den Lücken offen umgeht, diese also weder verschweigt noch, wie es in dem Fall war, "kreativ" umschreibt ("Umzug", "Neuorientierung", "Suche nach einem Praktikum", "Bewerbungsphase",...)
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