Hallo zusammen,
vorab möchte ich mich für den folgenden langen Beitrag entschuldigen. Ich bin im Moment etwas verzweifelt und würde mich daher über euren Rat sehr freuen.
Kurz zu meiner Person: Ich bin studierter Betriebswirt und seit einigen Jahren im Controlling Bereich verschiedener Konzerne tätig. Vor einigen Monaten habe ich dann eine Stellenanzeige gesehen, die mein Interesse geweckt hat. Es ging um eine Stelle für einen Akademiker im Finanzbereich eines großen Unternehmens, wobei der Aufgabenbereich sehr spannend klang. Angeblich umfasste die Stelle neben hochwertigen Finanzaufgaben auch Schnittstellen zum Supply Chain Bereich sowie strategische Verantwortung. Ich schickte meine Bewerbung und bekam auch recht schnell die Zusage.
Am ersten Arbeitstag (ich bin erst seit Beginn dieses Monats bei dem neuen Unternehmen) folgte dann jedoch der große Schock: Abgesehen davon, dass ich der einzige Akademiker in meiner Abteilung bin, erfuhr ich, dass es tatsächlich eher um einfachste buchhalterische und administrative Aufgaben geht, für die definitiv kein Studium erforderlich ist. Nun ist meine Motivation im Keller und ich denke tatsächlich darüber nach, innerhalb der Probezeit schnellstmöglich zu kündigen. Das Problem ist jedoch, dass ich noch keinen neuen Job habe.
Falls ich durchhalten und meine Kündigung aufschieben sollte, beginnt in Kürze eine intensive Einarbeitungsphase, in der ich zeitlich stark gebunden sein werde. Die Aufgaben sind zwar grundsätzlich nicht hochwertig, aber quantitativ sehr umfangreich und die Abteilung scheint aktuell auch sehr überfordert zu sein (daher vermutlich der schnelle Bewerbungsprozess). In dem Unternehmen herrscht zudem eine ausgeprägte Meeting Kultur. Es würde in diesem Fall sehr schwer, mich in den nächsten Monaten auf Bewerbungen zu konzentrieren oder gar Interviews wahrzunehmen. Auch befürchte ich, dass potentielle neue Arbeitgeber sich darüber wundern könnten, warum ich eine solch suboptimale Tätigkeit so lange ausgeführt habe, anstatt schnell Konsequenzen zu ziehen und mich zügig umzuorientieren.
Falls ich sofort kündige, hätte ich ab sofort Zeit und könnte mich voll auf den Bewerbungsprozess konzentrieren, stünde jedoch vor dem Risiko, dass sich das Ganze zeitlich hinzieht. Es sieht auf dem Lebenslauf auch einfach nicht gut aus und ich wäre in künftigen Vorstellungsgesprächen in Erklärungsnot.
Nun habe ich einige Fragen an euch:
- Ich bin grundsätzlich finanziell abgesichert und nicht auf ALG angewiesen. Daher wäre die Sperrfrist für mich auch nicht von allzu großer Bedeutung. Würdet ihr mir raten, die Stelle zu kündigen? Oder wäre dies ein totales Karriere Eigentor?
- Ich habe die Absicht, in zukünftigen Interviews ehrlich zu sein und zuzugeben, dass mein Kündigungsgrund darin lag, dass der tatsächliche Aufgabenbereich absolut nicht zu den ausgeschriebenen Aufgaben passte. Meint ihr, dass dies bei potentiellen Arbeitgebern auf Verständnis stößt?
- Wie sollte man eine solch kurze Station im Lebenslauf angeben? Normalerweise gibt man ja unter dem Jobtitel und dem Zeitraum den Aufgabenbereich an. Da die fachliche Einarbeitung aber noch gar nicht begonnen hat, überlege ich, den Aufgabenbereich komplett wegzulassen und nur den Stellentitel und den Zeitraum anzugeben. Ist dies empfehlenswert?
- Oder meint ihr alternativ, dass man eine solch kurze Tätigkeit im Lebenslauf lieber nicht erwähnen sollte? In dem Fall müsste ich ja erklären, warum ich meine vorherige mehrjährige Tätigkeit ohne eine neue Stellenzusage gekündigt habe. Außerdem verlangen viele Unternehmen vor dem Tätigkeitsbeginn ja eine Urlaubsbescheinigung des letzten Arbeitgebers. Wäre ich in dem Fall nicht dazu verpflichtet, den letzten Arbeitgeber auch wahrheitsgemäß im Lebenslauf anzugeben?
Ich bedanke mich vorab schon mal für euren Rat!
Gruß, David
Eigenkündigung in Probezeit ohne neue Stelle?
Re: Eigenkündigung in Probezeit ohne neue Stelle?
Hallo,
das ist eine vertrackte Situation... Beim Lesen bin ich ein klein wenig missmutig geworden, weil ich diese mangelnde Treue zur Stellenbeschreibung seitens eines Arbeitgebers auch schon erlebt habe - ich kann deine Überlegungen daher gut nachvollziehen.
Zu deinen Fragen:
Ich habe schon mal gelesen, dass man einmal im Berufsleben eine Eigenkündigung in der Probezeit "frei" hätte, sprich: Wenn man das einmal macht, fällt es nicht negativ auf. Auch das finde ich zu pauschal. Allerdings sollte bei Arbeitgebern mittlerweile angekommen sein, dass manche Bewerber inhaltliche Ansprüche an eine Stelle haben und sich zügig verabschieden, sofern diese Ansprüche nicht eingelöst werden.
"Die Vorstellungen, wie die Aufgaben in der Stellenausschreibung ausgestaltet werden sollten, gingen stark auseinander." - Jeder weiß, was gemeint ist, aber du hast keine Wertung vorgenommen.
Insgesamt bin ich übrigens nicht überzeugt, dass du so schnell kündigen solltest. Mag sein, dass du in der Einarbeitungsphase weniger Zeit für deine Bewerbungen haben wirst. Allerdings kommst du ja gerade frisch aus einem Bewerbungsprozess. Das bedeutet, dass du Anschreiben und Lebenslauf in sehr aktueller Form vorliegen hast. Natürlich solltest du sie nicht 1-zu-1 in Form von Massenbewerbungen an alle möglichen potentiellen Arbeitgeber schicken; aber du kannst auf diesem vorliegenden Material aufbauen. Das geht deutlich schneller, als frisch in einen Bewerbungsprozess zu starten und die ganzen Dokument von Grund auf neu verfassen zu müssen.
Und: Bist du wirklich sicher, dass die Aufgaben so unterirdisch sein werden? Oder wirst du das vielleicht erst im Rahmen der Einarbeitung richtig einschätzen können? (Meines Erachtens wichtige Fragen für dich, über die du noch mal nachdenken solltest.)
das ist eine vertrackte Situation... Beim Lesen bin ich ein klein wenig missmutig geworden, weil ich diese mangelnde Treue zur Stellenbeschreibung seitens eines Arbeitgebers auch schon erlebt habe - ich kann deine Überlegungen daher gut nachvollziehen.
Zu deinen Fragen:
Die finanzielle Absicherung ist schon einmal ein dickes Plus. Dennoch würde ich niemals pauschal zu einer Kündigung raten. Zwar klingt es so, als hättest du durchaus Chancen recht schnell eine neue, diesmal adäquate Stelle zu finden, aber dazu weiß man als Außenstehender einfach zu wenig über die Situation.
Ich habe schon mal gelesen, dass man einmal im Berufsleben eine Eigenkündigung in der Probezeit "frei" hätte, sprich: Wenn man das einmal macht, fällt es nicht negativ auf. Auch das finde ich zu pauschal. Allerdings sollte bei Arbeitgebern mittlerweile angekommen sein, dass manche Bewerber inhaltliche Ansprüche an eine Stelle haben und sich zügig verabschieden, sofern diese Ansprüche nicht eingelöst werden.
Kann man machen, allerdings würde ich mir eine diplomatische Formulierung überlegen. Man wirft ja nicht mit Dreck nach früheren Arbeitgebern...mantey hat geschrieben: ↑09.10.2022, 00:30 - Ich habe die Absicht, in zukünftigen Interviews ehrlich zu sein und zuzugeben, dass mein Kündigungsgrund darin lag, dass der tatsächliche Aufgabenbereich absolut nicht zu den ausgeschriebenen Aufgaben passte. Meint ihr, dass dies bei potentiellen Arbeitgebern auf Verständnis stößt?
"Die Vorstellungen, wie die Aufgaben in der Stellenausschreibung ausgestaltet werden sollten, gingen stark auseinander." - Jeder weiß, was gemeint ist, aber du hast keine Wertung vorgenommen.
Hast du dich nicht schon ein bisschen eingelesen in den wenigen Tagen? Oder sonst irgendwas gemacht? Wenn nicht, musst du das wohl so machen, da du andernfalls falsche Angaben tätigen würdest.mantey hat geschrieben: ↑09.10.2022, 00:30- Wie sollte man eine solch kurze Station im Lebenslauf angeben? Normalerweise gibt man ja unter dem Jobtitel und dem Zeitraum den Aufgabenbereich an. Da die fachliche Einarbeitung aber noch gar nicht begonnen hat, überlege ich, den Aufgabenbereich komplett wegzulassen und nur den Stellentitel und den Zeitraum anzugeben. Ist dies empfehlenswert?
Ich denke auch, dass du die Stelle aus den genannten Erwägungen angeben solltest. Alternativ könntest du dir etwas überlegen, das du stattdessen in diesem Zeitraum gemacht hast (berufliche Auszeit, Selbständigkeit angestoßen - das solltest du dann aber auch machen und vielleicht als Nebentätigkeit fortsetzen).mantey hat geschrieben: ↑09.10.2022, 00:30- Oder meint ihr alternativ, dass man eine solch kurze Tätigkeit im Lebenslauf lieber nicht erwähnen sollte? In dem Fall müsste ich ja erklären, warum ich meine vorherige mehrjährige Tätigkeit ohne eine neue Stellenzusage gekündigt habe. Außerdem verlangen viele Unternehmen vor dem Tätigkeitsbeginn ja eine Urlaubsbescheinigung des letzten Arbeitgebers. Wäre ich in dem Fall nicht dazu verpflichtet, den letzten Arbeitgeber auch wahrheitsgemäß im Lebenslauf anzugeben?
Insgesamt bin ich übrigens nicht überzeugt, dass du so schnell kündigen solltest. Mag sein, dass du in der Einarbeitungsphase weniger Zeit für deine Bewerbungen haben wirst. Allerdings kommst du ja gerade frisch aus einem Bewerbungsprozess. Das bedeutet, dass du Anschreiben und Lebenslauf in sehr aktueller Form vorliegen hast. Natürlich solltest du sie nicht 1-zu-1 in Form von Massenbewerbungen an alle möglichen potentiellen Arbeitgeber schicken; aber du kannst auf diesem vorliegenden Material aufbauen. Das geht deutlich schneller, als frisch in einen Bewerbungsprozess zu starten und die ganzen Dokument von Grund auf neu verfassen zu müssen.
Und: Bist du wirklich sicher, dass die Aufgaben so unterirdisch sein werden? Oder wirst du das vielleicht erst im Rahmen der Einarbeitung richtig einschätzen können? (Meines Erachtens wichtige Fragen für dich, über die du noch mal nachdenken solltest.)
Re: Eigenkündigung in Probezeit ohne neue Stelle?
Hallo,
vielen Dank für deine Antwort!
Dies wirft allerdings erneut Fragen auf:
- Sollte ich meine aktuelle Stelle im Lebenslauf also gar nicht erst erwähnen, falls ich innerhalb der ersten beiden Monate der Probezeit Bewerbungen an andere Unternehmen schicke? Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass potentielle Arbeitgeber sich dann wundern könnten, warum meine letzte Tätigkeit abrupt zu Ende September beendet wurde.
- Was passiert, wenn ein neuer Arbeitgeber die Urlaubsbescheinigung des letzten Arbeitgebers verlangt? Wäre ich in diesem Fall verpflichtet, die Urlaubsbescheinigung meines derzeitigen Arbeitgebers vorzuzeigen? Oder gäbe es hier eine Möglichkeit, dies auf irgendeine Art und Weise legal unter den Tisch fallen zu lassen?
Eine schnelle Kündigung hätte den Vorteil, dass ich nicht zu viel Zeit mit einer irrelevanten Tätigkeit verschwenden und mich voll und ganz auf den Bewerbungsprozess konzentrieren könnte. Zudem hätte ich auch die Zeit und Energie, jedes virtuelle und präsenzgebundene Interview wahrzunehmen und mich auch intensiv auf diese Gespräche vorzubereiten.
Dennoch bereiten mir die genannten Risiken schlaflose Nächte.
vielen Dank für deine Antwort!
Tatsächlich war die Erfolgsquote meiner Bewerbungen in den letzten Monaten recht hoch, so dass ich davon ausgehe, dass die Stellensuche nicht allzu lange dauern würde (100% sicher bin ich mir da natürlich auch nicht). Auch hatte ich mehrere attraktive Angebote vorliegen, habe mich jedoch aufgrund der spannend klingenden Aufgaben (strategische Verantwortung, Schnittstelle zwischen dem Finanz- und dem Supply Chain Bereich etc.) etwas blenden lassen und mich daher für meine aktuelle Tätigkeit entschieden.Die finanzielle Absicherung ist schon einmal ein dickes Plus. Dennoch würde ich niemals pauschal zu einer Kündigung raten. Zwar klingt es so, als hättest du durchaus Chancen recht schnell eine neue, diesmal adäquate Stelle zu finden, aber dazu weiß man als Außenstehender einfach zu wenig über die Situation.
Ich habe zu diesem Thema intensiv recherchiert, konnte aber zu meinem spezifischen Fall leider nicht viel finden. Grundsätzlich scheinen die Ratgeber zu empfehlen, dass man das Arbeitsverhältnis im Falle einer Kündigung nach zwei oder weniger Monaten im Lebenslauf lieber nicht erwähnen sollte.Hast du dich nicht schon ein bisschen eingelesen in den wenigen Tagen? Oder sonst irgendwas gemacht? Wenn nicht, musst du das wohl so machen, da du andernfalls falsche Angaben tätigen würdest.
(...)
Ich denke auch, dass du die Stelle aus den genannten Erwägungen angeben solltest. Alternativ könntest du dir etwas überlegen, das du stattdessen in diesem Zeitraum gemacht hast (berufliche Auszeit, Selbständigkeit angestoßen - das solltest du dann aber auch machen und vielleicht als Nebentätigkeit fortsetzen).
Dies wirft allerdings erneut Fragen auf:
- Sollte ich meine aktuelle Stelle im Lebenslauf also gar nicht erst erwähnen, falls ich innerhalb der ersten beiden Monate der Probezeit Bewerbungen an andere Unternehmen schicke? Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass potentielle Arbeitgeber sich dann wundern könnten, warum meine letzte Tätigkeit abrupt zu Ende September beendet wurde.
- Was passiert, wenn ein neuer Arbeitgeber die Urlaubsbescheinigung des letzten Arbeitgebers verlangt? Wäre ich in diesem Fall verpflichtet, die Urlaubsbescheinigung meines derzeitigen Arbeitgebers vorzuzeigen? Oder gäbe es hier eine Möglichkeit, dies auf irgendeine Art und Weise legal unter den Tisch fallen zu lassen?
Ich verstehe deine Sichtweise gut und du hast natürlich auch recht bzgl. der Bewerbungsunterlagen. Das Problem besteht eher darin, dass die Tätigkeit recht präsenzorientiert ist. Ich habe pro Woche, wenn es hochkommt, 1 bis maximal 2 Heimarbeitstage. Dies erschwert es mir deutlich, Vorstellungsgespräche wahrzunehmen, zumal Arbeitgeber mittlerweile häufig Präsenzinterviews ansetzen. Zusätzlich sollte man sich auf die Interviews möglichst gut vorbereiten, was aufgrund der sehr intensiven Einarbeitungsphase äußerst schwer werden dürfte. Die Möglichkeit, Urlaub zu nehmen oder sich krankschreiben zu lassen, ist in der Probezeit ja ebenfalls sehr begrenzt.Insgesamt bin ich übrigens nicht überzeugt, dass du so schnell kündigen solltest. Mag sein, dass du in der Einarbeitungsphase weniger Zeit für deine Bewerbungen haben wirst. Allerdings kommst du ja gerade frisch aus einem Bewerbungsprozess. Das bedeutet, dass du Anschreiben und Lebenslauf in sehr aktueller Form vorliegen hast. Natürlich solltest du sie nicht 1-zu-1 in Form von Massenbewerbungen an alle möglichen potentiellen Arbeitgeber schicken; aber du kannst auf diesem vorliegenden Material aufbauen. Das geht deutlich schneller, als frisch in einen Bewerbungsprozess zu starten und die ganzen Dokument von Grund auf neu verfassen zu müssen.
Eine schnelle Kündigung hätte den Vorteil, dass ich nicht zu viel Zeit mit einer irrelevanten Tätigkeit verschwenden und mich voll und ganz auf den Bewerbungsprozess konzentrieren könnte. Zudem hätte ich auch die Zeit und Energie, jedes virtuelle und präsenzgebundene Interview wahrzunehmen und mich auch intensiv auf diese Gespräche vorzubereiten.
Dennoch bereiten mir die genannten Risiken schlaflose Nächte.
Leider bin ich mir da sehr sicher. Es wurde seitens der Team- und Bereichsleitung ganz klar kommuniziert, dass ich nach vollständiger Einarbeitung (ca. 12-18 Monate) dauerhaft diesen Aufgabenbereich ausüben werde. Wie ich bisher mitbekommen habe, scheint es auch kaum Aufstiegs- und Wechselmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens zu geben, da es sich um einen unflexiblen, behördenähnlichen Apparat handelt.Und: Bist du wirklich sicher, dass die Aufgaben so unterirdisch sein werden? Oder wirst du das vielleicht erst im Rahmen der Einarbeitung richtig einschätzen können? (Meines Erachtens wichtige Fragen für dich, über die du noch mal nachdenken solltest.)