Personalauswahl: wer trifft die Entscheidungen ?

Auch im Berufsleben steht man immer wieder vor Herausforderungen und Problemen. Die könnt ihr hier diskutieren.
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tintin
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Personalauswahl: wer trifft die Entscheidungen ?

Beitrag von tintin »

Einmal eine generelle Frage: wenn man die Literatur zu Bewerbungen und Personalauswahl liest, bekommt man den Eindruck suggeriert, dass die Personalauswahl massgeblich von den HR Leuten bestimmt wird.

Da wo ich bisher gearbeitet habe, waren es aber immer die Führungskräfte in den Fachabteilungen, die die meisten Interviews führten und die wichigsten Entscheidungen trafen.

Ich habe bisher in drei Unternehmen gearbeitet. Größe: ~10 MA, ~500 MA und > 10.000 MA. Branchen: Pharma, Chemie, Lebensmittel.

In der kleinsten Firma wurde das Personal durch die Chefs ausgewählt. Da gabs gar keine Personalabteilung. In der mittleren Firma wurden die Stellenausschreibung von den jeweiligen Vorgesetzten verfasst. Der Personaler hat dann die Inserate in den Zeitungen und On Line Medien geschaltet. Ausserdem die eintreffenden Bewerbungen gesammelt und ohne Vorauswahl weitergegeben. Alles andere hat dann die jeweilige Führungskraft oder eben der Inhaber organisiert und entschieden.
Viel anders war es in der großen Firma auch nicht: da bekommt die Führungskraft die Bewerbungen ohne Vorauswahl vom Sachbearbeiter in der HR. Den gesamten Auswahlprozess organisiert man dann selbst. In der zweiten oder dritten Runde ist dann ein BP dabei. Funktion ist aber eher ergänzend und administrativ unterstützend; im besten Fall kompent beratend. Entscheidungen werden aber immer von den Führungskräften getroffen, je nach Tragweite auf den verschiedenen Ebenen.
Die Verhandlungen und Verträge macht der BP dann wieder, aber im Rahmen der Vorgaben, die er durch die Fachbereiche bekommt.

Also: was ist dran an der Macht der Personaler ? Ist das in anderen Branchen anders ? Und wen muss man denn jetzt als Bewerber überzeugen: den ausgebildeten Profi oder den Nebenerwerbs-Psychologen der sich seine Expertise aus ein bis zwei Rategebern angelesen hat ?
**mizi**
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Beitrag von **mizi** »

meine Abteilungsleiter würden mir ins Gesicht springen, wenn ich denen ALLE Bewerbungen ohne Vorauswahl weiterleiten würde!!!! :shock:

Man muss ja auch einen professionellen Auftritt wahren, nach innen und außen!

Bei uns wird das Anforderungsprofil mit PA und Fachabteilung erstellt. Muss ja schließlich vernünftig klingen und aussehen, damit man auch die richtigen Bewerber anspricht und wie das genau funktioniert muss eine Fachabteilung nicht wissen.

In der PA organisieren wir alle Vorstellungsgespräche und sind beim Erstgespräch immer dabei und haben auch die Gesprächsführung. Fachlich wird der Bewerber erst in der 2. Runde richtig abgeklopft, wenn dieser grundsätzlich in Frage kommt.
Die finale Entscheidung ob jemand eingestellt wird, sollte auch unbedingt in der Fachabteilung liegen, schließlich müssen die mit dem neuen Kollegen arbeiten. Als PA geben wir eine Empfehlung und begründen diese auch hinreichend, in 99% der Fälle folgt uns die Fachabteilung, in 100% der Fälle liegen wir mit unserer Einschätzung richtig.

Eine Fachabteilung muss den ganzen HR-Krempel nicht drauf haben, dafür ist es ja eine Fachabteilung. Ich halte als PA nichts davon die Verantwortung für die Rekrutierung "abzugeben". Das kann fast nur unprofessionell nach außen aussehen.
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FRAGEN
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Re: Personalauswahl: wer trifft die Entscheidungen ?

Beitrag von FRAGEN »

tintin hat geschrieben:Und wen muss man denn jetzt als Bewerber überzeugen: den ausgebildeten Profi oder den Nebenerwerbs-Psychologen der sich seine Expertise aus ein bis zwei Rategebern angelesen hat ?
Mit dem "ausgebildeten Profi" meinst Du jetzt den unmittelbaren Vorgesetzen?!? Ich frage das nur deshalb, weil es auch unter den Personalern "ausgebildete Profis" gibt... auch solche, deren Qualifikation deutlich oberhalb der von manchen Abteilungsleitern liegt. Das sind nicht nur Nebenerwerbs-, sondern zum Teil auch Voll-Psychologen, dazu Betriebswirte, Juristen mit entsprechenden Vertiefungsrichtungen und alle möglichen anderen Leute. Ich glaube nicht, dass Du Dir einen Gefallen tust, wenn Du Deine Gesprächspartner von vornherein als eine Art "Handlanger" klassifizierst... auch wenn es diesen Fall mit Sicherheit gibt.

Aber solange Du nicht weisst, ob der konkrete Fall eher Deiner oder **mizis** Erfahrung entspricht: Warum nicht einfach beide überzeugen? Und dabei ruhig auch beiden bis zum Beweis des Gegenteils eine gewisse Fähigkeit zutrauen, über ihren persönlichen Tellerrand hinaus zu blicken? Heisst konkret: Ich würde dem unmittelbaren Vorgesetzten auf jeden Fall die Fakten liefern, die er sucht... aber das ruhig auch so formulieren, dass jemand der weniger tief in der Materie steckt, der Grundlinie folgen kann. Das, was der "Personaler" versteht, ist schließlich auch das, was der Kunde versteht... und das was der Kunde versteht, bringt die Kohle ins Haus... ;-)
SabrinaV
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Beitrag von SabrinaV »

Bei uns läuft es noch ein bissl anders ab, da unsere PA-Experten (PA) im Shares Service Center sitzen und einiges online abläuft.

Die Fachabteilungen der einzelnen Bereiche melden ihren Bedarf und erstellen - gern auch mit Hilfe von PA-Experten, dann die entsprechenden Formulare als auch eine Stellenbeschreibung (online unterstützt). Die PA bekommt die aus der Fachabteilung abgestimmten Texte und schlagen passende Medien für die Veröffentlichung vor.

Nach Veröffentlichung werden die eintreffenden Bewerbungen sehr grob aussortiert.....je nach Wunsch der suchenden Abteilung auch mal spezifischer. Online können sich die Vorgesetzten die Bewerber in einem Tool inkl. Unterladen ansehen und über die PA entsprechend zu Vorstellungsgesprächen einladen. Falls Bewerber nicht in Frage kommen, erhält die PA eine kurze Info und lehnt die Bewerber ab.

Kommt der Bewerber in Frage, findet mit dem Bereichsleiter ein Gespräch statt und die PA übernimmt auch hier wieder die Organisation bzw. die Einstellung. Der Fachbereich hat mit der administratischen Verwaltung nur gering zu tun..
tintin
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Beitrag von tintin »

@FRAGEN:
Mit dem "ausgebildeten Profi" meinst Du jetzt den unmittelbaren Vorgesetzen?!? Ich frage das nur deshalb, weil es auch unter den Personalern "ausgebildete Profis" gibt... auch solche, deren Qualifikation deutlich oberhalb der von manchen Abteilungsleitern liegt. Das sind nicht nur Nebenerwerbs-, sondern zum Teil auch Voll-Psychologen, dazu Betriebswirte, Juristen mit entsprechenden Vertiefungsrichtungen und alle möglichen anderen Leute. Ich glaube nicht, dass Du Dir einen Gefallen tust, wenn Du Deine Gesprächspartner von vornherein als eine Art "Handlanger" klassifizierst... auch wenn es diesen Fall mit Sicherheit gibt.
Nein, sorry für die missverständliche Ausdrucksweise: mit dem "Profi" meine ich den Personaler, das sind ja häufig ausgebildete Psychologen oder haben zumindest entsprechende Zusatzausbildungen. Der "Nebenerwerbspsychologe" ist der Entscheider in der Fachabteilung.

Weiterhin zum besseren Verständnis: ich bin selbst als Führungskraft einer dieser Nebenerwerbs Psychologen. Mein primäres Interesse an Themen der Personalauswahl stammt daher dass ich einen Teil meiner Zeit und Energie mit diesen Aufgaben verbringe.

@mizzi
Als PA geben wir eine Empfehlung und begründen diese auch hinreichend, in 99% der Fälle folgt uns die Fachabteilung, in 100% der Fälle liegen wir mit unserer Einschätzung richtig.
willst Du damit sagen, dass Ihr in 100 % der Fälle den richtigen und besten Bewerber auswählt ? Das ist nicht Dein Ernst, oder ? Wie messt Ihr, dass der MA tatsächlich der beste war ? Noch nie versehentlich einen Alkoholiker erwischt, oder einen Schaumschläger, oder einen Laumichel, oder, oder, oder ?

Danke für die Antworten. Das Thema interessiert mich und ich würd gerne bei Gelegenheit weitere Fregen stellen.

Besten Dank
**mizi**
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Beitrag von **mizi** »

"Einschätzung" heißt ja nicht zwangsläufig, dass wir den richtigen für die Stelle ausgewählt haben. Kann ja auch heißen, dass wir den so eingeschätzt haben, dass er nicht zu uns passt.
Ob er fachlich der Tollste und Beste war, können wir nicht wissen, sonst müssten wir ja jeden einladen, der sich bei uns bewirbt. Viel wichtiger ist doch, dass die Fachkenntnisse stimmen und Unternehmen und neuer Mitarbeiter zusammen passen.
Was bringt mir der fachlich tollste Typ, wenn der einfach nicht ins Team und/oder Unternehmen passt? Den kann ich doch als Arbeitgeber eh nicht halten.

Nein, so ein richtigen Griff ins Klo gabs die letzten Jahre tatsächlich nicht, bis auf einen, aber da haben wir auch große Bedenken geäußert.

Klar, kann man sich immer mal täuschen. Wenn man situative statt standardisierte Interviews führt, dann bekommt man aber schon eine Menge raus. Risiko gibt es immer.
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FRAGEN
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Beitrag von FRAGEN »

tintin hat geschrieben: Mein primäres Interesse an Themen der Personalauswahl stammt daher dass ich einen Teil meiner Zeit und Energie mit diesen Aufgaben verbringe.
Fragen tust Du jetzt aber als Bewerber?!? Oder geht es Dir aus allgemeinem Interesse um die bestmögliche Methode der Bewerberauswahl? Oder darum, wie Du Dich als "Fachabteilungs"-Vertreter möglichst sinnvoll zwischen den anderen Beteiligten des Besetzungsprozesses positionierst? Eigentlich alles interessante Fragen... ;-)
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