@ Guideline
Ich habe natürlich extra überzogen. Du schilderst deinen Arbeitsplatz mit solcher Begeisterung, dass man sich fragt, warum du dort eigentlich weg möchtest. Das soll jetzt nicht heißen, dass du deinen momentanen Arbeitsplatz nun schlecht machen sollst, aber es muss irgendwie plausibel werden, warum du dich eigentlich bewirbst. Und das wird es nicht, wenn dein Arbeitsplatz doch eigentlich perfekt ist.
Mit Ende des amerikanischen Schuljahres im Juni 2016 läuft mein Arbeitsvertrag aus. Zu diesem Zeitpunkt beende ich wie geplant mein Auslansjahr.
Wie findest du das?
Wie gesagt, ich habe überzogen. V.a. um dir den Strategiefehler in deiner Bewerbung aufzuzeigen.
Auch wenn meine Antwort vielleicht genervt oder emotional wirkt - ich bin mir darüber bewusst und sehr dankbar um deine Rückmeldung
Mach vielleicht mal eine Aufstellung, was toll ist und dir tolle Erfahrungen ermöglicht hat und eine, was du nicht ändern kannst, wo du aber mit deinen im deutschen Bildungssystem erlernten Werten nicht klar kommst. Dass du also einerseits sagst "ja, ich habe hier in den USA wertvolle Efahrungen gesammelt, die ich nicht missen möchte, aber auf der anderen Seite komme ich systemisch mit dem pädagogisch sinnvolleren Ambiente in Dtld. klar".
Danke für den wertvollen Tipp!
Hast du keine Kontakte mehr nach Dtld.? Es gibt ja auch durchaus die Möglichkeiten Ausschreibungen so zu formulieren, dass sie bestimmte Kriterien aufnehmen, die viele Konkurrenten a priori ausschließen (das läuft in der Praxis durchaus so). Bei dir könnte das beispielsweise sein: "Auslandserfahrung, bevorzugt Nordamerika, erwünscht"
Ich werde in eine andere Region ziehen, sodass mir meine noch vorhandenen Kontakte keinen Vorteil verschaffen. Werde mich dennoch umhören
@ Fragen
Dann haben wir die Quelle des Übels ja schon gefunden... Winken
Ja *lach*
[...] Die Sache mit den eutschen Konzepten, die Dir in Amerika fehlen (und auf die Du Dich jetzt umso mehr freust, je gründlicher Du das Gegenteil kennen gelernt hast), ist zum Beispiel so etwas. Vermutlich wir da der entscheidene Punkt Deiner Bewerbung liegen... und genau DAZU wirst Du im Leben keine Vorlage finden!
Das waren keine einzelnen "Stellen", sondern ie Tatsache, dass Du ganz allgemein aus einem eigenen Denken und Empfinden geschöpft hast, anstatt dein Glück in fertigen Versatzstücken aus zweiter Hand zu suchen.
DANKE! Das bringt mich sehr weiter!
Lässt sich denn sagen, was für Einrichtungen vielleicht besonders wenig "rein deutsch" geprägt sind? Vorausgesetzt natürlich, Du würdest gern weiterhin in solch einem Umfedl arbeiten...
Mittlerweile ist nahezu keine Kita mehr rein deutsch geprägt (z.B. spätesetens seit der Flüchtlingswelle). Das ist aber auch gut so, denn unsere Gesellschaft ist mittlerweile ja auch multikulturell geprägt. Die Gegend in welcher ich in Ba-Wü lebe, hat einen sehr hohen Migrationsanteil. Auch das wäre noch ein Argument für mich - ich habe selbst erfahren wie es ist Migrant zu sein. Man kann maximal noch in religiöser Prägung unterscheiden.
Was es hier so problematisch macht, ist die Tatsache, dass es sich um eine Privatschule handelt, welche aus einer Elterninitiative enstanden ist. Die Schule ist nach wie vor im Aufbau, sucht ihren Weg. Hat aber das Problem, dass wenig gelernte Pädagogen dort arbeiten und die initiativen Eltern ein hohes Maß an Mitsprache haben. Dort wieder rum treffen sich die kulturellen Unterschiede. Es gibt deutsche Familien die ihr Kind wie in Deutschland betreut haben möchten. Es gibt die akademischen Familien die das akdademische Potential so früh wie möglich bei ihren Kindern entfaltet wissen möchten. Es gibt Eltern die es einfach schön finden, wenn ihr Kind eine zweite Sprache lernt. Mann kann sich nicht auf einen Nenner einigen und da kommt das Problem des nicht vorhandenen Konzeptes ins Spiel...
Kia123 hat Folgendes geschrieben:
Ich freue mich unfassbar auf eine deutsche Einrichtung und vor allem auf ein Konzept, Zielsetzungen, ein Bild vom Kind und der Möglichkeit meine Arbeit daran auszurichten. [...] Ein Konzept ist so normal in Deutschland, dass mir die Wichtigkeit nicht einmal richtig bewusst war weil es eben so selbstverständlich ist.
Das hört sich sehr, sehr interessant an. Kannst Du das noch näher beschreiben?
Ein Konzept legt quasi den Grundstein der pädagogischen Richtung. Arbeitet man Situativ, nach Reggio oder Montessori, vielleicht hat eine Kita auch aus allem das für sich passende heraus gepickt. Im Grunde sagt ein Konzept aus welcher pädagogischer Schwerpunkt verfolgt wird. Wenn man so will = die Seele einer Einrichtung, das was die Bibel für einen Christen ist, ist das Konzept für eine pädagogische Fachkraft.
Das Bild vom Kind sagt aus wie das Kind gesehen wird. Es gibt hierdurch Werte, Richlinien, Ansätze.
Die Schule gibt an sie arbeite nach der Montessoripädagogik - gleichzeitig müssen schon drei Jährige das Schreiben lernen wo sie noch nicht mal die Farben kennen. Dieser Gegensatz schreit zum Himmel. Das Kind soll einerseits frei sein und alles hat seiner Zeit, andereseits soll es so früh wie möglich akademisch arbeiten. Das passt nicht.
Ohne Konzept kann ich meine Arbeit nicht begründen. Ich kann das wohl des Kindes nicht in den Vordergrund bringen. Ich kann nicht konstruktiv kritisieren, meine Argumente werden in der Luft zerissen. Ohne Kozept gibt es kein einheitliches Arbeiten. Jeder macht wie er denkt.
Es gibt gewisse Ziele, welche es in einer deutschen Kita jedoch niemals gäbe.
Kia123 hat Folgendes geschrieben:
Hier bin ich gezwungen gegen meines besseren Wissens zu Arbeiten. Gegen pädagoische Grundsaätze zu verstoßen. Das tut im Herzen weh.
Dass es das tut, klingt ebenfalls gut (was Dein erzieherisches Herz angeht). Kannst Du auch das genauer erklären?
Ein Kind erfährt die Welt durch das Spiel. Durch das alltäglich Tun. Es lernt aus intrinsischer Motivation. Es ist angewiesen auf die Schaffung von Reizen die es anregen, die ihrem Interesse entsprechen.
Sicher, es gibt einen Bildungsauftrag. In Deutschland bist du frei in deinem Weg dorthin. Du hast keine festegelegte Reihenfolge. Du kannst individuell auf die Kinder eingehen. Sie abholen wo sie sind. Interessieren sie sich nicht an Buchstaben oder zahlen, dann gehst du andere Wege um dieses Interesse zu wecken. Die Kinder setzten sich mit Themen auseinander, die sie eigentlich nicht interessieren, ohne dass sie es bemerken. Weil die pädagogische Fachkraft geschickt das Interesse eines Kindes erkennt, es beobachtet und die Umgebung entsprechend ausrichtet.
Hier bin ich gezwungen über die Interessen des Kindes hinwegzugehen. Weil es Buchstaben auf eine ganz bestimme Weise erlernen soll. Ich kann nicht individuell auf die Kinder eingehen. Alle sollen es lernen. Ob 3 oder 5.
Ich kann Kinder nicht in ihrer Neugier unterstützten, weil ich ganz klare Bildungsaufträge habe und Wege die mir vorgegeben sind. Diese Wege sind nur sehr bedingt Kindgerecht. Verstoßen gegen nahezu allem was ich gelernt habe.
Die Kinder haben zu wenig Raum für Spiel. Zu wenig Raum sich sozial zu entfalten. Im Grunde habe ich das Gefühl sozial emotional vernachlässigte Akademiker heranzuziehen. Die keine Konflikte lösen können, weil ihnen der Raum genommen wird das zu erlernen. Ich hatte noch nie so viele verhaltensauffällige Kinder in einer Gruppe. Schaut man sich an, wie gearbeitet werden muss, so wird klar, die Schule trägt keinen unerheblichen Teil dazu bei.
Mir wird untersagt Eltern von der Schule abzuraten, obwohl das Kind mit der Zweisprachigkeit überfordert ist. Obwohl es dadurch nachhaltig in seiner Entwicklung beeinträchtigt werden kann. Dennoch wird mir nicht der Raum gegeben individuell auf das Kind einzuegehn. Dem entgegenzuwirken.
Im Grunde steht nicht das Wohl des Kindes im Vordergrund, sonder das Geld welches das Kind einbringt. Ich sehe mich eigentlich als "Anwalt" des Kindes. Es passt grundlegend nicht. Unter umständen hat das für ein Kind lebenslange, negative Folgen. Und das tut weh.
Vielleicht brachte diese Ambivalenz meine erste Bewerbung zum Ausdruck.
Versuch's einfach. Du hast ja erstens das Glück, noch Zeit zu haben... und zweitens das, dass Du hier im Forum auch problemlos ins Unreine reden kannst. Der Trick gegen Abwertung und Beleiigung ist übrigens fast immer die Genauigkeit. Je präziser man sein Unbehagen an etwas formuliert, desto weniger wirkt das Ergebnis "auf die Fresse". Das kannst Du vermutlich auch auf Deine tägliche Arbeit übertragen... was Du wahrscheinlich ja auch tust: Den Kindern also erklären, was sie warum nicht tun sollen... anstatt ihnen klar zu machen, wie doof sie sind... Winken
*lach* danke! Im Grunde triffst du es auf den Punkt - nehme ich mir zu Herzen und bastle weiter
