Hallo zusammen,
bei mir im Lebenslauf befindet sich eine große Lücke von ca. drei Jahren und ich weiß nicht, wie ich sie am besten auch bei einem Vorstellungsgespräch begründen soll.
Kurz zu mir: ich bin Bildungsinländer, EU-Bürger und BWLer mit Abschluss M.Sc., leider Langzeitstudent. Bis zur Pandemie habe ich über die Zeitarbeit bei einer Bank und danach bei einer Versicherung gearbeitet. Ich habe mich bewusst für die Zeitarbeit entschieden, damit ich mehrere Bereiche in den obigen Unternehmen kennenlernen konnte. Bei der letzten Stelle gab es sogar Aussichten zur Übernahme. Dann kam Corona und im März 2020 waren wir (die Zeitarbeiter) die ersten, die coronabedingt nach Hause geschickt wurden. Die Zeitarbeitsfirma hatte mich auch gekündigt, da ich aufgrund meiner Qualifikationen und der momentanen Lage nicht weiter vermittelbar war.
Ab April 2020 habe ich über die Agentur für Arbeit ein Weiterbildungsangebot (Key User SAP FI/CO) erhalten. Die Weiterbildung habe ich mit zwei Auszeichnungen abgeschlossen. Anstatt zu arbeiten, habe ich mich nach der Weiterbildung für die Heimat entschieden. Ich habe vorher ein Mädchen kennengelernt und brauchte die Zeit für eine berufliche Neuorientierung im Ausland auch mit dem Ziel der Familienplanung (es hat leider nicht geklappt). Außerdem musste ich meine Eltern pflegen. Diese Aufgabe hat jetzt mein Bruder übernommen. Gearbeitet habe ich nicht (die Möglichkeiten in meiner kleinen Heimatstadt sind nicht so dolle). In den letzten drei Jahren habe ich aber politisches und soziales Engagement gezeigt. Man sieht mich mit berühmten Landespolitikern, wenn man mich im Internet richtig sucht (was nicht so vorteilhaft aus Sicht der Personaler ist). Zeugnisse habe ich hier nicht.
Von der Politik war ich super enttäuscht. Insgesamt war das aber eine gute Lebenserfahrung, in der ich viel gesehen, gelernt und neue Kontakte geknüpft habe. Nichtsdestotrotz habe ich mich entschieden, mein Glück wieder in Deutschland zu suchen. Momentan mache ich zwei Weiterbildungen online auf einer berühmten Plattform einer angelsächsischen Elite-Uni.
Ich werde mich sehr freuen, wenn Ihr mir mit Tipps bei der tabellarischen Auflistung des CVs helft. Momentan sehen die erwähnten Abschnitte so aus:
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BERUFSERFAHRUNG
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12/2022 – dato
Berufliche Weiterbildung
Plattform der Elite-Uni X mit Certificate-Kurs X und Y
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Bemerkung: Ich habe diese extra oben gepackt. Somit sieht man, dass ich aktiv und motiviert bei der Arbeitsuche bin und immer etwas Neues für den Beruf lernen will.
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09/2020 – 12/2022
Berufliche Auszeit zur Pflege eines nahen Angehörigen
09/2020 – 12/2022
Auslandsaufenthalt mit politischem und sozialem Engagement
www.home.page |www.internet.seite (Soll ich die Internetquellen im CV angeben?)
Tätigkeiten:
Organisation und Durchführung von Events
Hauptverantwortlich für die Korrespondenz mit Behörden und Partnern
Moderation von Events
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Bemerkung: Beide Tätigkeiten habe ich hervorragend kombiniert. Bei Bedarf kann ich noch „09/2020 – 12/2022 Mitarbeit im Familienunternehmen“ schreiben, aber ich will nicht lügen.
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10/20XX – 03/2020
Über ZEITARBEIT GmbH unter anderem für:
07/2019 – 03/2020
Mitarbeiter in Abteilung X bei Versicherung Y
Mit Tätigkeiten XXXXX
10/20XX – 06/2019
Mitarbeiter in Abteilung ABC bei Bank AG
Mit Tätigkeiten XXXXX
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XX/20XX – 10/20XX
Weitere aufgelistete AG und Tätigkeiten
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BILDUNGSWEG
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04/2020 – 08/2020
Berufliche Weiterbildung in SAP FI/CO
Bei Bildungsträger W
Abschluss mit Zertifikat FI und CO
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10/20XX – 08/20XX
Studium BWL M.Sc.
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10/20XX – 08/20XX
Studium BWL B.Sc.
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Mein Plan läuft wieder über die Zeitarbeit mit der Hoffnung auf Direktübernahme. Ich bin bereit als Sachbearbeiter oder Kreditoren-/Debitorenbuchhalter anzufangen. Allerdings möchte ich mich nebenher weiter bewerben. Ich glaube, dass momentan mit normalen Bewerbungen und mit so einer Lücke direkt von den Personalern im Bewerbungsprozess ausgesiebt werde. Ich habe auch ehemalige Kollegen aus den obigen zwei Firmen kontaktiert. Vielleicht klappt es mit Vitamin B.
Stichwort „Zeitarbeit“: Aufgrund der Inflation und der gespannten Wirtschaftslage weiß ich nicht, was ich für ein Gehalt verlangen soll. Vor der Pandemie hatte ich einen DGB-Tarifvertrag und bekam ich monatlich zwischen 2.000 – 2.200 Euro netto. Soll ich es bei den Verhandlungen mit 2.500 Euro versuchen?
Das wichtigste ist der Lebenslauf und der Abschnitt mit der großen Lücke. Ich will nicht lügen oder versuchen etwas sehr stark zu kaschieren, da das wahrscheinlich eher auffällt.
Nochmals freue ich mich auf Eure Kommentare, Anmerkungen sowie Meinungen und bin Euch allen von ganzem Herzen sehr dankbar!
Eine sehr große Lücke im Lebenslauf
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Re: Eine sehr große Lücke im Lebenslauf
Hallo,
vorneweg: Ich bin kein Experte für solche Situationen, sondern gebe Ratschläge auf Grundlage dessen, wie ich als Entscheider deinen Lebenslauf betrachten würde.
Viel Erfolg!
Cyb
vorneweg: Ich bin kein Experte für solche Situationen, sondern gebe Ratschläge auf Grundlage dessen, wie ich als Entscheider deinen Lebenslauf betrachten würde.
Aus deiner Sicht nachvollziehbar, aber das ändert nichts daran, dass es sich dabei eindeutig nicht um Berufserfahrung handelt, sondern eben um Weiterbildung. Du kannst das testweise versuchen, aber bei mir würde das ein großes Fragezeichen erzeugen (im Sinne von: "Will diese Person mich blenden?"). Eher würde ich es dort hinpacken, wo es hingehört, nämlich zu den Weiterbildungen, und stattdessen im Anschreiben prominent darauf eingehen.Bemerkung: Ich habe diese extra oben gepackt. Somit sieht man, dass ich aktiv und motiviert bei der Arbeitsuche bin und immer etwas Neues für den Beruf lernen will.
Kann man machen, wichtiger ist aber die Nennung der Organisationen, bei denen du dich engagiert hast. Und am allerwichtigsten: Du schreibst, dass du darüber keine Zeugnisse hast - besorge sie dir unbedingt, wenn irgendwie möglich! Und wenn kein "Zeugnis", dann ein "Empfehlungsschreiben", das letztlich dieselbe Funktion hat: Es dokumentiert und belegt dein Engagement.Soll ich die Internetquellen im CV angeben?
Das ist für das Anschreiben sehr wichtig, weil der Arbeitgeber wissen will, was genau du dort gelernt hast und wie es ihm weiterhilft.Von der Politik war ich super enttäuscht. Insgesamt war das aber eine gute Lebenserfahrung, in der ich viel gesehen, gelernt und neue Kontakte geknüpft habe.
Hier könntest du noch mal die Reihenfolge überprüfen: Die wichtigste oder aber prestigeträchtigste Aufgabe sollte oben stehen. In meinen Augen könnte das auch die zweite Aufgabe sein, weil du dort deine Verantwortung explizit herausstellst.Organisation und Durchführung von Events
Hauptverantwortlich für die Korrespondenz mit Behörden und Partnern
Moderation von Events
Hier musst du selbst am besten wissen, was marktüblich ist. Aber: Gehaltsvorstellungen werden stets in Brutto angegeben, nicht in Netto.Soll ich es bei den Verhandlungen mit 2.500 Euro versuchen?
Viel Erfolg!
Cyb
Re: Eine sehr große Lücke im Lebenslauf
In den meisten Punkten stimme ich mit dem Kollegen ein. Nur bei dem Punkt Politik: Sofern du nicht bei weltanschaulichen Arbeitgebern arbeitest, solltest du auch religiöse, gewerkschaftliche und politische Dinge aus deiner Bewerbung raushalten.
Re: Eine sehr große Lücke im Lebenslauf
Ich bin zwar nicht der TE, aber hier würde mich die Begründung interessieren. Würdest du diese Dinge auch dann heraushalten, wenn dabei nachweislich relevante Kompetenzen eingesetzt oder erworben wurden? Es gibt Berufsfelder im nicht-weltanschaulichen Bereich, in denen die nachgewiesene Fähigkeit, souverän mit Politikern und vergleichbarer Klientel zu interagieren, sehr wertvoll ist.
Zudem: Es gibt ja auch Ehrenämter im religiösen Bereich, die zumindest früher mal gern gesehen waren - vielleicht kein großes Plus, aber auch kein Minus. Würdest du Ehrenämter nur dann aufnehmen, wenn sie weltanschaulich neutral sind?
(Sollen keine provokativen Fragen sein - mich interessiert, warum es hier anscheinend einen Dissens zwischen uns gibt.)
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Re: Eine sehr große Lücke im Lebenslauf
Danke Euch allen für die tollen Tipps!
Bezüglich der Weiterbildung am Anfang habe ich mich mit einem berühmten Business- und Karrierecoach über das Thema unterhalten. Er ist der Meinung, dass die Weiterbildung gerne am Anfang stehen darf. Es ist sogar besser als „Arbeitssuchend“ oder „Berufliche Neuorientierung“.
Zeugnisse im Sinne der deutschen Zeugniskultur kann ich mir nicht besorgen. Diese sind „unüblich“ bei uns. Vielleicht kann ich mir sowas wie „letter of recommendation“ besorgen, aber dann steht es ein Parteilogo oder -stempel drinnen. Wie gesagt, man findet mich im Internet. Das Thema „(nicht-)weltanschauliche Arbeitgeber/Bereiche“ oder „politisch korrekte Inhalte“ macht mir im Bewerbungsprozess sehr große Sorgen. Mit meinem Engagement wollte ich (vielleicht auch ganz naiv) etwas für die Gesellschaft tun und nicht eine neue Gewerkschaft bei meinem zukünftigen Arbeitgeber demnächst gründen. Außerdem gibt es genügend deutsche Politiker, die in den Vorständen und Aufsichtsräten von Banken, Versicherungen und DAX-Unternehmen sitzen. Persönlich hatte ich sehr interessante Korrespondenzen und Gesprächspartner nicht nur auf kommunale, sondern auch auf internationale Ebene. Und es ist manchmal sehr vorteilhaft, wenn man diese Leute kennt und ihre Nummer hat.
Die jeweiligen Tätigkeitsbeschreibungen werde ich auf die Stelle anpassen. Oben sind diese beispielhaft, unvollständig dargestellt und knapp formuliert. Sehr wichtig war mir die Struktur in dem Lückenabschnitt, ob ich beides: „Auszeit mit Pflege sowie Auslandsaufenthalt mit Engagement“ gleichzeitig nennen darf. Im Nachhinein und falls es zu einem VG kommt, kann ich dann alle Einzelheiten gut argumentieren.
Ich kann mich als ein sehr interessanter Kandidat bezeichnen, der mit seiner Bewerbung aufgrund des schrägen Lebenslaufs durch die ATS-Systeme der großen Firmen nicht so einfach reinkommt und zum VG eingeladen wird. Deshalb bleibe ich fest auf dem Boden und werde es versuchen wieder über die Zeitarbeit oder Vitamin B in dem gewünschten Bereich Fuß zu fassen.
Bezüglich der Weiterbildung am Anfang habe ich mich mit einem berühmten Business- und Karrierecoach über das Thema unterhalten. Er ist der Meinung, dass die Weiterbildung gerne am Anfang stehen darf. Es ist sogar besser als „Arbeitssuchend“ oder „Berufliche Neuorientierung“.
Zeugnisse im Sinne der deutschen Zeugniskultur kann ich mir nicht besorgen. Diese sind „unüblich“ bei uns. Vielleicht kann ich mir sowas wie „letter of recommendation“ besorgen, aber dann steht es ein Parteilogo oder -stempel drinnen. Wie gesagt, man findet mich im Internet. Das Thema „(nicht-)weltanschauliche Arbeitgeber/Bereiche“ oder „politisch korrekte Inhalte“ macht mir im Bewerbungsprozess sehr große Sorgen. Mit meinem Engagement wollte ich (vielleicht auch ganz naiv) etwas für die Gesellschaft tun und nicht eine neue Gewerkschaft bei meinem zukünftigen Arbeitgeber demnächst gründen. Außerdem gibt es genügend deutsche Politiker, die in den Vorständen und Aufsichtsräten von Banken, Versicherungen und DAX-Unternehmen sitzen. Persönlich hatte ich sehr interessante Korrespondenzen und Gesprächspartner nicht nur auf kommunale, sondern auch auf internationale Ebene. Und es ist manchmal sehr vorteilhaft, wenn man diese Leute kennt und ihre Nummer hat.
Die jeweiligen Tätigkeitsbeschreibungen werde ich auf die Stelle anpassen. Oben sind diese beispielhaft, unvollständig dargestellt und knapp formuliert. Sehr wichtig war mir die Struktur in dem Lückenabschnitt, ob ich beides: „Auszeit mit Pflege sowie Auslandsaufenthalt mit Engagement“ gleichzeitig nennen darf. Im Nachhinein und falls es zu einem VG kommt, kann ich dann alle Einzelheiten gut argumentieren.
Ich kann mich als ein sehr interessanter Kandidat bezeichnen, der mit seiner Bewerbung aufgrund des schrägen Lebenslaufs durch die ATS-Systeme der großen Firmen nicht so einfach reinkommt und zum VG eingeladen wird. Deshalb bleibe ich fest auf dem Boden und werde es versuchen wieder über die Zeitarbeit oder Vitamin B in dem gewünschten Bereich Fuß zu fassen.
Re: Eine sehr große Lücke im Lebenslauf
Gute Frage. Ich kann sie dir, um ehrlich zu se8n, gar nicht so konkret beantworten. Etwas nich begründen zu können, ärgert mich.Cybarb hat geschrieben: ↑10.01.2023, 14:53Ich bin zwar nicht der TE, aber hier würde mich die Begründung interessieren. Würdest du diese Dinge auch dann heraushalten, wenn dabei nachweislich relevante Kompetenzen eingesetzt oder erworben wurden? Es gibt Berufsfelder im nicht-weltanschaulichen Bereich, in denen die nachgewiesene Fähigkeit, souverän mit Politikern und vergleichbarer Klientel zu interagieren, sehr wertvoll ist.
Zudem: Es gibt ja auch Ehrenämter im religiösen Bereich, die zumindest früher mal gern gesehen waren - vielleicht kein großes Plus, aber auch kein Minus. Würdest du Ehrenämter nur dann aufnehmen, wenn sie weltanschaulich neutral sind?
(Sollen keine provokativen Fragen sein - mich interessiert, warum es hier anscheinend einen Dissens zwischen uns gibt.)
Re: Eine sehr große Lücke im Lebenslauf
Kann ich verstehen, das würde mich auch ärgern. Aber ein klein wenig regt sich in mir ja auch dieselbe Intuition wie bei dir: Es könnte sein, dass der Adressat der Bewerbung politisch engagierte Bewerber als "schwierig", "überengagiert" oder einfach in der falschen Partei wahrnimmt. Das wäre jedenfalls meine Sorge.
Ich würde dennoch anders abwägen und sagen: Die durch das politische Engagement erworbenen Fähigkeiten wiegen letztlich dieses Risiko wieder auf. Aber diese Abwägung muss jeder für sich selbst vornehmen, und ich kann gut verstehen, wenn man zu einem anderen Ergebnis gelangt.