Bewerbung bei Gefängnisaufenthalt und offenem Vollzug

Informationen und Fragen zum Bewerbungsablauf, zu einzelnen Elementen der Bewerbungsmappe und zu individuellen Formulierungen. Wie soll eine Bewerbungsmappe aufgebaut sein? Welche Fakten gehören in ein Anschreiben? Welche Formulierungen sollten unbedingt vermieden werden?
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Mika1887
Beiträge: 3
Registriert: 28.04.2015, 10:47

Bewerbung bei Gefängnisaufenthalt und offenem Vollzug

Beitrag von Mika1887 »

Hallo liebe Community,

ich befinde mich derzeit in einer "interessanten" Situation, um es mal eher allgemein auszudrücken. Vor einiger Zeit habe ich bedingt durch eine Suchterkrankung Straftaten begangen, für die ich zurecht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden bin. In den vergangenen beiden Jahren in Haft habe ich alles daran gesetzt aus meinen Fehlern zu lernen und die Zeit nicht sinnlos verstreichen zu lassen. Ich habe meine Erkrankung aufgearbeitet und therapiert, meine Schuldensituation bereinigen können und erste Schritte in Richtung einer Berufsausbildung als Fundament für eine Integration in die Gesellschaft gemacht. Diese wurden nun "belohnt" indem ich in den offenen Vollzug verlegt worden bin, in dem ich die nächsten 18 Monate verbringen darf/muss. Dies ergibt für mich die so sehr erhoffte Möglichkeit tatsächlich bereits während der Verbüßung meiner Haftstrafe einer Berufsausbildung beginnen zu können, für den Fall, dass ich denn eine Stelle finde.

Bis zum 01.08. sind es nur noch 3 Monate, was die Suche zu einer sportlichen Aufgabe macht. Aber, und das ist eine recht gute Nachricht, ich habe in unserer Region (Ostsee) noch 15 freie Ausbildungsstellen zum Hotelfachmann ausfindig machen können und auch bereits bestätigt bekommen, dass diese noch zu vergeben sind. Man freue sich auf meine Bewerbungsunterlagen.

Nun ja und nun kommen die Fakten, die meine Bemühungen so sehr torpedieren werden, dass ich wirklich Bammel davor habe. Aber da ich mich sowohl meiner Vergangenheit stellen muss, als auch meine Zukunft planen wird es eben nicht ausbleiben, es zumindest zu versuchen. Denn wie heißt es so schön: Unmöglich ist es nur, wenn man es nicht versucht.

Ich bin 32 Jahre alt und bin wie erwähnt vor 2 Jahren in die JVA eingefahren. Vom offenen Vollzug aus, habe ich berufstechnisch alle Freiheiten (vormittags, abends, nachts arbeiten möglich) und das noch 1 1/2 Jahre. Danach werde ich bis zum erhofften Abschluss der Ausbildung bei meinen Eltern in unmittelbarer Nähe unterkommen können, die mich bei allem (auch finanziell) unterstützen würden und werden.

Zu meinen Anliegen:

Wie führe ich die Haftstrafe / Verurteilung im Lebenslauf an ? Führe ich sie auf ? Mir wurde zum Beispiel mal gesagt, dass so etwas dort nichts verloren hat, da man nie weiß, wer das mal in die Hände bekommt. SOll ich eine Lücke lassen und diese in einem hoffentlich stattfindenen Gesrpäch erläutern ? Die Wahrheit zu verdrehen kommt für mich nicht in Frage, da ich zu dem was passiert ist stehe, wenn ich selbstredend auch nicht stolz drauf bin.

Erwähne ich meine derzeitige Situation im Anschreiben ? Wo und wann ist die beste Situation dazu ? Ich habe mir überlegt persönlich in den entsprechenden Hotels vorbeizufahren, meine Bewerbungsunterlagen abzugeben und im Idealfall ein kurzes Gespräch zu führen in dem ich auf ein ausführliches Gespräch, dass ich mir wünschen würde, verweise. Ich weiß, dass ich nicht doof bin, ein gutes Benehmen habe und gepflegt bin. Auf diese Weise würde ich mir zumindest schon mal einen ersten guten Eindruck erhoffen, denn die größte Hürde, die ich kommen sehe, ist die Chance auf ein Bewerbungsgespräch zu erhalten.

Wie sind eure Meinungen ? Habe ich überhaupt eine Chance und wie sollte ich vorgehen ? Ich weiß, das ist alles ein wenig kompliziert, aber genau deswegen hoffe ich so sehr auf etwas Hilfe, bevor ich nächste Woche aktiv werde.

Vielen Dank im Voraus für Eure Unterstützung


MiKa


PS: Hier noch ein paar Eckdaten:

- Alter: 32
- Abi 2002
- Studium begonnen und nach 1 Jahr abgebrochen
- mehrere Jahre der Selbstständigkeit ( IT / Vertrieb)
- seit 2013 in Haft mit 11 Monaten Arbeit
- seit kurzem und bis 10/16 im oV und auf der Suche eine berufliche Basis zu schaffen
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TheGuide
Bewerbungshelfer
Beiträge: 12803
Registriert: 12.07.2013, 12:44

Beitrag von TheGuide »

Nun ja..., was soll man dir raten? Es gibt Arbeitgeber, die bewusst Straftätern eine Perspektive in Freiheit anbieten. Das ist sehr sozial, darf man aber von Arbeitgebern nicht unbedingt erwarten. Die Ex-Häftlingen gegenüber sozial und aufgeschlossen eingestellten Arbeitgeber dürften in einer extremen Minderheitenposition sein. Ich selber wüsste gar nicht, wie ich mich verhalten würde, wenn ich Arbeitgeber wäre. Als Gutmensch bin ich der Meinung, dass Straftäter, die ihre Strafe abgesessen haben ihre Chance verdient haben. Aber der Zweifel nagt dann doch irgendwo, nicht wahr?
Wie ein Arbeitgeber darauf reagiert, dass deine Adresse der Gefängnisweg 2 ist, hängt wohl von jedem einzelnen ab.
Wäre ich Hotelwirt und bei mir würde sich ein Straftäter bewerben, dann würde ich schon wissen wollen, weswegen der verurteilt wurde. Jemand, der mit Cannabis gedealt hat, ist anders zu bewerten, als jemand, der Heroin, Crack oder Meth gedealt hat. Im Hotelgewerbe müssen die Gäste den Mitarbeitern vertrauen können, ich würde als Wirt also ausschließen wollen, dass du ein Langfinger bist. Gäste sind manchmal nervig, dumm, unverschämt - kann der Bewerber damit professionell umgehen? Oder ist er ein reuiger Gewalttäter, bei dem es nur eine Frage der Zeit ist, bis er ausrastet?
Wenn du erst im VG bekannt gibts, dass du in der JVA einsitzt, musst du damit rechnen, dass ein Arbeitgeber sich überrumpelt fühlt.
Wie auch immer du dich also entscheidest, es kann im Einzelfall richtig oder falsch sein. Gibt es hierfür in der JVA keine diesbezügliche Beratungsstelle? Die haben doch sicherlich so etwas, wie Erfahrungswerte oder können vielleihct mit einer günstigen Prognose den Kontakt zum Arbeitgeber herstellen.
Mika1887
Beiträge: 3
Registriert: 28.04.2015, 10:47

Beitrag von Mika1887 »

Dank dir für deine ausführliche Antwort.

Ja es gibt eine solche Stelle, die aber gnadenlos überlastet ist und ein Termin erst in 2 Wochen stattfinden kann. Ich wollte mich gerne vorab informieren, da diese Thematik für mich derzeit eben allerhöchste Priorität hat. Außerdem möchte ich meine Bewerbungsunterlagen eben vorab fertigstellen und ringe mit mir, wie ich sie anfertigen soll (mit JVA oder ohne).

Ich gebe Dir absolut recht, dass es für einen potentiellen Arbeitgeber eine Überrumpelung wäre erst im VG davon zu hören und auch, dass es ihn natürlich interessieren wird, warum ich eingesessen habe, bzw. es nun in der light-Version tue. Darauf werde ich mich auch vorbereiten und von Beginn an wahrheitsgemäß agieren. Nur stelle ich mir eben die Frage wann der richtige Zeitpunkt dafür sein könnte. Weder soll es direkt abschrecken noch zu spät sein und das ist ehrlich gesagt, zumindest nach meinem Empfinden, ein sehr enger Korridor.
Romanum
Bewerbungshelfer
Beiträge: 8983
Registriert: 12.09.2008, 19:20

Beitrag von Romanum »

Ich habe mir überlegt persönlich in den entsprechenden Hotels vorbeizufahren, meine Bewerbungsunterlagen abzugeben und im Idealfall ein kurzes Gespräch zu führen in dem ich auf ein ausführliches Gespräch, dass ich mir wünschen würde, verweise. Ich weiß, dass ich nicht doof bin, ein gutes Benehmen habe und gepflegt bin. Auf diese Weise würde ich mir zumindest schon mal einen ersten guten Eindruck erhoffen, denn die größte Hürde, die ich kommen sehe, ist die Chance auf ein Bewerbungsgespräch zu erhalten.

Das ist doch eine gute Vorgehensweise, so dass du gleich einen guten ersten Eindruck hinterlassen kannst.

So viele andere relevante Berufserfahrung und Kenntnisse hast du offensichtlich nicht vorzuweisen, sonst könntest du vor allem noch damit punkten. Also steht eher deine Motivation für diesen Berufszweig im Vordergrund, gegebenenfalls könntest du auch stärker auf das jeweilige Hotel eingehen, was dir am Leistungsangebot besonders gefällt.

Wenn du die Tatsache der Haft nicht verschweigen willst, dann ist es doch ratsam, gleich mit offenen Karten zu spielen, und die Tatsache so ähnlich wie du es schon oben gemacht hast, ins Anschreiben zu integrieren (eher am Ende):

"habe ich alles daran gesetzt aus meinen Fehlern zu lernen und die Zeit nicht sinnlos verstreichen zu lassen. Ich habe meine Erkrankung aufgearbeitet und therapiert, meine Schuldensituation bereinigen können und erste Schritte in Richtung einer Berufsausbildung als Fundament für eine Integration in die Gesellschaft gemacht."
Mika1887
Beiträge: 3
Registriert: 28.04.2015, 10:47

Beitrag von Mika1887 »

Auch Dir Romanum vielen Dank für deine Ratschläge und ich glaube auch, dass es doch ganz sinnvoll sein kann gleich mit offenen Karten zu spielen. Mir wurde eben mal gesagt, dass man einen JVA Aufenthalt nicht schriftlich festhalten sollte, weil man nie weiß, wer das Schriftstück evtl. mal in die Hände bekommt.

Die Fokussierung auf mein Interesse an dem Ausbildungsberuf und dem speziellen Hotel werde ich versuchen treffend auszudrücken. Auch Stärken bringe ich durchaus mit, wobei eben tatsächlich die Erfahrung in dem Berufsfeld fehlt.

Ist es sinnvoll bei der Abgabe der Bewerbungsunterlagen gleich mit anzubieten gerne bereit zu sein ein 1-2wöchiges Kennenlernpraktikum zu machen ? Oder sollte sowas auch schiftlich mit eingebunden werden ?
Oexmann Consulting
Beiträge: 68
Registriert: 06.05.2015, 11:08

Beitrag von Oexmann Consulting »

Hallo Mika,

bist Du mit Deinem Anliegen weitergekommen und mit Deinen Bewerbungen erfolgreich?

Mit bestem Gruß

Oexmann Consulting
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